2023 jähren sich die spontanen Streiks von über 275.000 Arbeiter*innen in 335 Betrieben zum 50. Mal. Sie kämpften u.a. gegen die hohe Inflation, für gleiche Löhne, gegen Arbeitshetze, gegen miese Arbeitsbedingungen und rassistische Zumutungen. Die Streiks z.B. bei Pierburg, Mannesmann, Opel, Küppersbusch, HuF, Hoesch, Ford und John Deere haben die Arbeiterbewegung in Deutschland, die Gewerkschaften, die Gesellschaft und nicht zuletzt die Streikenden selbst verändert.
Besonders für die streikenden Migrant*innen, die in vielen Fällen das Rückgrat dieser Streiks bildeten, galt: Die Kämpfe empowerten die Streikenden auf ungeahnte Weise trotz mancher Niederlage. Sie wurden durch ihre Kämpfe erstmals in der deutschen Gesellschaft sichtbar. Im Rückblick wissen wir, dass die Streiks von 1973 für viele Migrant*innen ein wichtiges Fundament für weitere Anerkennungskämpfe waren.
Wie haben die „neuen Akteure“ von 1973, die streikenden Migrant*innen und streikenden Frauen die Gewerkschaften und die gesamte Gesellschaft verändert? Durch die aktuelle Energiekrise hat sich eine mit 1973 vergleichbar hohe Inflationsrate mit allen sozialen Verwerfungen wie drohenden Reallohnverlusten und gravierender Energiearmut entwickelt. Und auch in den vergangenen Jahren finden sich entsprechende „wilde“ Streiks mit starker migrantischer Beteiligung, etwa unter Erntehelfer*innen, in der Fleischindustrie und in Lieferservices.
Es lohnt sich also, auch in dieser Hinsicht, die politische Situation und die Kämpfe von 1973 mit der heutigen Situation zu vergleichen. Wo sind Ähnlichkeiten und wo sind die Unterschiede? Was könnten die heutigen Antworten und Organisierungsformen sein?
Literatur:
Peter Birke: Wilde Streiks im Wirtschaftswunder. Arbeitskämpfe, Gewerkschaften und soziale Bewegungen in der Bundesrepublik. und Dänemark. Frankfurt a.M.: Campus-Verlag 2007.
Simon Goeke: „Wir sind alle Fremdarbeiter!“. Gewerkschaften, migrantische Kämpfe und soziale Bewegungen in der Bundesrepublik Deutschland der 1960er und 1970er Jahre. Studien zur historischen Migrationsforschung Bd. 36. Paderborn: Schöningh 2020.