In den vergangenen Dekaden wurden gesellschaftliche Entwicklungen gerne mit einem der sozialwissenschaftlichen Diskussion entlehnten Schlagwort belegt und in der medialen Öffentlichkeit diskutiert. Hierfür liefern sozialwissenschaftliche Zeitdiagnosen eine griffige Vorlage, nehmen sie doch für sich in Anspruch, den Zeitgeist, den Zustand der Gesellschaft und sozialen Wandel pointiert zu erfassen und zu erklären. Dabei rangiert die Zeitdiagnose als sozialwissenschaftliches Genre zwischen populärwissenschaftlicher Zuspitzung und gesellschaftstheoretisch fundiertem Beitrag.
Im Seminar werden überwiegend Auszüge aus aktuellen sozialwissenschaftlichen Zeitdiagnosen aus dem europäischen und US-amerikanischen Raum diskutiert, etwa zum Zusammenhang von Kapitalismus und Depression (Mark Fisher: Kapitalistischer Realismus. Gibt es keine Alternative?), Digitalisierung und Überwachung (Shoshana Zuboff: Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus), das Vergangene als Sehnsuchtsort und die Angst vor Veränderung (Zygmunt Bauman: Retrotopia) und der Zusammenhang von Gefühlen und Gesellschaft (Eva Illouz: Explosive Moderne. Emotionen im 21. Jahrhundert). Dabei sollen Bezüge zu sozialen Lebenslagen hergestellt und die damit einhergehenden Herausforderungen für die Soziale Arbeit reflektiert werden.